Steffi (l.) mit Lyudmila (m.) und Uta (r.) im Gespräch

Unsere ukrainische Kollegin Lyudmila

Seit einiger Zeit unterstützt uns Lyudmila. Sie arbeitete als Leiterin einer Kinderbibliothek in der Region Charkiw. Wie unterscheiden sich ihre Bibliothek in der Ukraine und unsere Bibliothek in Deutschland? Lest mehr in diesem Interview!

Stelle dich doch kurz vor!

Mein Name ist Lyudmila Filipska, ich komme aus der Ukraine, aus der Region Charkiw. Jetzt lebe ich in Deutschland, in Erlangen. Grund ist der Krieg in der Ukraine.

Was hast du in der Ukraine beruflich gemacht?

Zu Hause arbeitete ich als Leiterin einer Kinderbibliothek, in der Wilschanska Bibliotheka in der Region Charkiw, schon seit fast 30 Jahren. Eigentlich habe ich studiert, um allgemein Kultur zu organisieren, und das habe ich zuerst auch im Haus der Kulturen gemacht. Nach der Elternzeit bin ich dann in die Bibliothek gekommen. Unsere Bibliothek hat eine Abteilung für Erwachsene und eine für Kinder, sie befindet sich direkt gegenüber von einer Allgemeinen Schule, das ist sehr praktisch! Wir haben einen Buchbestand von circa 10.000 Büchern für etwa 600 Leserinnen und Leser.

Zu meinen Aufgaben gehören alle möglichen Tätigkeiten in einer Bibliothek; ich bin die Frau für (fast) alles: Ich kümmere mich um die Inventarisierung der neuen Bücher, Pflege der Kataloge, Ausleihe an die Kinder mit Pflege der aktuellen Adressen usw., weiter die Rücknahme samt Rücksortierung der Bücher in die Regale. Dazu kommt die Verwaltung im Hintergrund, also Buchhaltung, Statistik, Abschreibung, Katalog- und Archivpflege, Arbeitsplanung, Tagesabrechnungen etc. Dann gibt es die Organisation von Buchausstellungen – im Haus und auch im Internet (auf Facebook), deren Themen meist vorgegeben werden. Das sind zum Beispiel berühmte Persönlichkeiten, die allerdings für die Kinder oft nicht sehr interessant sind. Wichtig ist mir die Durchführung verschiedener Veranstaltungen für Kinder hier im Haus, Führungen und Vorlesestunden, ebenso die Teilnahme an Wettbewerben und die Verwaltung der Webseite der Bibliothek in Sozialen Netzwerken, also im Internet. Und auf jeden Fall mit Büchern zu arbeiten!

Was hat dir besonders in deiner Bibliothek gefallen?

Im Gebäude der Bibliothek arbeitete ein Kunstatelier, das entstand auf Anfrage einer Künstlerin. Die Räume wurden kostenlos zur Verfügung gestellt. Inzwischen arbeiteten dort die Künstlerin und eine Malerin, es entstanden viele Objekte in Bildender Kunst und Malerei, und kreative Meisterkurse wurden abgehalten.

Du engagierst dich nun in der Erlanger Stadtbibliothek? Wie ist es dazu gekommen?

Ich hatte Herrn Steger, den Städte-Partnerschaftsbeauftragten der Stadt Erlangen, nach der Stadtbibliothek in Erlangen gefragt, und so war der Kontakt zustande gekommen. Ich bin den Kolleginnen und Kollegen der Erlanger Bibliothek sehr dankbar für die Möglichkeit, hier zu arbeiten und neue Erfahrungen zu sammeln. Und über den Deutschen Bibliotheksverband war es sogar möglich, ein Stipendium zu beantragen, sodass ich für drei Monate finanzielle Unterstützung bekommen habe.

Was hast du in der Erlanger Bibliothek alles gemacht?

Gemeinsam mit meiner Kollegin Uta Blumberg arbeite ich an der Registrierung von Büchern in ukrainischer Sprache. So können nun Bücher für Kinder und Jugendliche, aber auch für Erwachsene ausgeliehen werden. Darüber hinaus organisiere ich Lesungen und Vorlesestunden für Kinder in ukrainischer Sprache, teilweise in Verbindung mit der Schule für ukrainische Sprache Erlangen. Es gab auch schon eine Lesung gemeinsam mit Maria, einer ukrainischen Journalistin, hier in der Bibliothek.

Was gefällt dir an der Stadtbibliothek Erlangen?

Es ist eine große, gut ausgestattete Bibliothek mit vielen Möglichkeiten für die Leserinnen und Leser. Vor allem ist das Angebot vielfältig; es gibt nicht nur Bücher auszuleihen, sondern auch viele andere Medien.

Was unterscheidet diese Bibliothek von deiner Bibliothek in der Ukraine?

Meine Bibliothek in der Ukraine ist viel kleiner, auch hat sie weniger Geld zur Verfügung. So gibt es fast keine anderen Medien als Bücher, keine Hörbücher, Filme usw. auszuleihen. Und die Ausstattung zum Arbeiten ist für mich kleiner. Ich fülle viele Angaben von Hand aus, notiere, wer welches Buch ausleiht, ebenfalls die Daten der Leser und Leserinnen usw. Auch gibt es keinen Computer für die Kinder bzw. Erwachsene zum Benutzen, nur für mich zum Arbeiten. Aber die Bibliothek ist auch familiärer. Es gibt einige Schüler der nahegelegenen Schule, die nach dem Unterricht zu uns kommen und nicht nur ausleihen, sondern sich auch unterhalten wollen und mit mir über ihre Lieblingsbücher sprechen oder gelegentlich über allgemeine Probleme. Ebenso ist die Bibliothek ein beliebter Aufenthaltsort für ältere Menschen. Diese Pensionäre kommen ins Haus wie in einen kulturellen Treffpunkt. Sie verbringen nicht nur ihre Zeit da und lesen, sondern sie tauschen sich untereinander aus im Gespräch, schreiben selbst Gedichte und Poesie, erstellten einen Almanach und ich mache immer mal Kaffee oder Tee für sie. Auch ist manchmal Hilfe für organisatorische Fragen nötig oder ein Formular ist mit meiner Hilfe auszufüllen, die städtischen Abgaben (für Strom, Wasser, Gas) sind online fällig, usw. Für die Menschen in diesem kleineren Ort bedeuten wir viel mehr als „nur“ Bibliothek.

Was wünscht du dir für die Zukunft?

Ich bin beeindruckt davon, wie viele Hörbücher und Filme auf DVD es hier auszuleihen gibt und vor allem so viele „richtige“ (Brett-)Spiele wie Schach und Würfelspiele und Puzzles usw. Diese Idee werde ich mir gut merken für unsere Bibliothek. Handy und Unterricht online haben fast alles freie Spiel zerstört bei den Kindern und da ist es wichtig, so ein Angebot mit den Spielen zu haben. Auch weil von der Schule nach der Mittagsbetreuung die Schüler zu uns kommen und dann weiterspielen können, anstatt am Handy herumzuhängen. Des weiteren möchte ich verstärkt internationale Bücher anschaffen, englische und auch deutsche Bücher zum besseren Erlernen der Sprachen.

Liebe Lyudmila, vielen Dank für das interessante Gespräch mit so vielen Informationen! (Steffi & Uta)

Erfahrt mehr über unsere Angebote für Zugezogene und Geflüchtete.

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Stefanie

Fremde Sprachen, Kulturen und Religionen sind meine Leidenschaft. Utopien und Dystopien ziehen mich in ihren Bann. Nach einem Jahr in der Musikbibliothek darf ich nun mit den Bildungs- und Kultureinrichtungen der Stadt zusammenarbeiten; mich mit Inklusion, Integration, Sprachförderung und Demenzarbeit beschäftigen. Privat findet man mich beim Wandern oder Klettern in der Natur. An ungemütlichen Tagen aber auch beim Serienmarathon auf der Couch. #naturkind #serienjunkie #toleranz

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