Jean-Paul Didierlaurent: Die Sehnsucht des Vorlesers

Mein Lesetipp: Die Sehnsucht des Vorlesers

Wovon handelt „Die Sehnsucht des Vorlesers“ von Jean-Paul Didierlaurent?

In seinem Debütroman erzählt der französische Autor die Geschichte von Guylain Vignolles. Einem Mann voller Eigenheiten am Rande der Gesellschaft. Schon in seiner Kindheit hatte er es schwer, denn wenn man bei seinem Namen nur zwei Silben vertauscht, ergibt das Vilain Guignol, was so viel bedeutet wie „dummer Kasper“. Deswegen ist es ihm am liebsten, unsichtbar zu sein und schnell vergessen zu werden. Seine besten Freunde sind sein Goldfisch, ein ehemaliger Kollege, der einen ungewöhnlichen Sammelzwang hat und der Wachmann Yvon Grimbert, der nur in Versen spricht.

Außerdem hasst Guylain seine Arbeit. Jeden Tag wird er aufs Neue gezwungen, die Bestie zu füttern oder auch Zerstör 500. Sein ganz persönliches Monster, denn alles was es tut, ist das Schreddern und Zerstören von Büchern.

Im Bauch der Zerstör schlug Metall auf Metall, als sich die Walzen mit den fünfhundert Hämmern in Bewegung setzten, und die messerscharfen Klingen zerschnitten frenetisch die Luft, während kochend heißes Wasser mit einem schrillen Pfeifen aus den Düsen in die Grube schoss und die ersten Dampfwolken zum Dach der Werkhalle aufstiegen, vermischt mit dem Gestank von vermodertem Papier. Die Bestie hatte Hunger. (S. 33-34)

 

Sein einziger Lichtblick jeden Tag ist das Vorlesen im 6-Uhr-27-Zug, um ein paar einsamen geretteten Blättern wieder Leben einzuhauchen. Der monotone, graue Alltag des Vorlesers endet jedoch an dem Tag, als er in genau diesem Zug einen roten USB-Stick findet. Auf diesem entdeckt er das Tagebuch einer ganz besonderen Frau und beschließt, sich auf die Suche nach ihr zu machen. Dabei findet er sich auf einer Reise zu sich selbst und den schönen Seiten des Lebens wieder.

 

Irgendwie habe ich das Gefühl, dass auch du jetzt das im Leben gefunden hast, wonach du unbedingt suchen musst. (S. 140)

 

Mein Fazit:

Jean-Paul Didierlaurent hat wirklich liebenswerte, skurrile Charaktere geschaffen, die zu kleinen Helden ihres tristen und monotonen Lebens werden. In einem deprimierenden Alltag und beruflicher Unzufriedenheit wie der von Guylain Vignolles festzustecken, kennen leider viele. Der Autor zeigt Seite um Seite, wie Guylain die vielen kleinen bunten, schönen Farben des Lebens wiederentdeckt. Das Ganze verpackt er mit einer guten Portion Humor und teilweise schon fast poetischen Passagen.

Was ich auch noch erwähnen möchte, ist die liebevolle Seitengestaltung, bei der sich Hintergrund, Schriftart und Schriftfarbe immer wieder abwechseln, passend zu dem, was Guylain liest.

Wer wie ich außergewöhnliche Geschichten und schräge Figuren mag, aber trotzdem etwas Leichtes zum Entspannen sucht, dem kann ich „Die Sehnsucht des Vorlesers“ auf jeden Fall nur empfehlen.

 

Und jetzt lesen oder hören:

Jean-Paul Didierlaurent: Die Sehnsucht des Vorlesers / dtv, 2015. – 222 Seiten

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Anna-Lena

Als Weltenbummlerin gibt es für mich nichts Schöneres als in fremde Welten einzutauchen. Ich erobere das Reich der Bücher eingekuschelt vom Sofa aus, löse Fälle in spannenden Serien oder verrenke mich mit der Kamera auf der Reise. So führte mich mein Weg über mehrere Ecken in die verwinkelte Stadtbibliothek, die voll von verschiedenen Welten ist. #regenliebhaberin #seriensuchti #welteneroberin #träumerin

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