Die CD von "Hamilton", neben zwei 10-Dollar-Scheinen und Socken mit der Aufschrift "My thoughts have been replaced by Hamilton Lyrics"

Mein Musiktipp: Hamilton – An American Musical

Hamilton. Ich weiß gar nicht so richtig, wo ich anfangen soll, wenn es darum geht, zu beschreiben, warum ich dieses Stück so liebe. Vielleicht damit, dass meine ersten Gedanken dazu waren: „Was interessiert mich die Gründungsgeschichte der USA?“ und „Ein Rap und Hip-hop-Musical? Ist das was für mich?“ Wenn das auch eure Gedanken sind, gebt mir bis zum Ende des Artikels Zeit, um eure Meinung zu ändern. 😉

Ich habe eine riesige Sammlung an Musicals, vom Phantom der Oper bis zu Mary Poppins. Ich höre quasi alles, aber der Stil von Hamilton ist anders als der aller anderen Stücke, die ich bisher kannte. Und das ist nichts Schlechtes. Trotzdem habe ich viel gutes Zureden gebraucht, bis ich in die Musikbibliothek gegangen bin und mir die CD von Hamilton ausgeliehen habe. Inzwischen kann ich sie auswendig. Aber von vorne. Worum geht es eigentlich?

The 10-Dollar-Founding-Father

How does a bastard, orphan, son of a whore
and a Scotsman, dropped in the middle
of a forgotten spot in the Caribbean
by Providence, impoverished, in squalor
Grow up to be a hero and a scholar?

Erzählt wird das Leben des Gründervaters Alexander Hamilton, der heute noch auf dem 10-Dollar-Schein abgebildet ist. Die Geschichte eines Immigranten aus der Karibik, der das Finanzsystem der Vereinigten Staaten geprägt hat. Er kämpfte im Unabhängigkeitskrieg, wurde enger Vertrauter von George Washington, war der erste Finanzminister der Vereinigten Staaten, hat sich mit allen auf Washington folgenden Präsidenten gestritten und wurde letztendlich in einem Duell getötet.

Weitere wichtige Figuren sind Thomas Jefferson, der dritte Präsident der Vereinigten Staaten und Widersacher von Hamilton. Erzähler der Geschichte ist Aaron Burr, Hamiltons Freund und der Mann, der ihn tödlich verwundet. Für großartige weibliche Repräsentation ist durch Hamiltons Frau Eliza und ihre Schwester Angelica gesorgt. Sie sind zwei selbstbewusste, kluge und emanzipierte Frauen, die das ansonsten (historisch bedingt) sehr männliche Ensemble bereichern.

We hold these truths to be self-evident:
That all men are created equal.
And when I meet Thomas Jefferson
Imma compell him
To include women in the sequel!

Rappende Gründerväter

Mit Rap kann ich wirklich nichts anfangen. Dachte ich, bis ich das Rapbattle zwischen Thomas Jefferson und Alexander Hamilton über das Finanzsystem der USA gehört habe. Es klingt verrückt, aber irgendwie funktioniert es. Die Musik ist sehr modern, viel Rap und Hiphop, während die Kostüme gleichzeitig historisch angelehnt sind. Ich glaube, gerade diese Kombination macht den Reiz des Stückes aus: George Washington in Jogginghosen wäre nichts für mich gewesen, aber wenn Hamilton in seinem historischen Look anfängt zu rappen, bringt gerade dieser Stilbruch ihn dem Publikum näher, raus aus den verstaubten Geschichtsbüchern.

Ey yo I’m just like my country
I’m young, scrappy and hungry
And I’m not throwing away my shot!

History has its eyes on you

Bei historisch inspirierten Musicals stellt sich natürlich die Frage, wie historisch korrekt sie sind. Der Schöpfer des Stücks, Lin-Manuel Miranda, hat ausgiebig recherchiert und viele interessante Fakten einfließen lassen. (Habt ihr euch schon einmal gefragt, warum New York nicht die Hauptstadt der USA ist? Da hatte Hamilton die Finger im Spiel.) Trotzdem hat er sich natürlich kreative Freiheiten genommen. Da das Stück aus Hamiltons Sicht erzählt wird, kommt sein Freund George Washington gut weg, während Thomas Jefferson in negativerem Licht gezeigt wird. Und man muss sich selbstverständlich bewusstmachen, dass die Figuren des Musicals, mit denen man mitfiebert, auf historischen Persönlichkeiten basieren, die man kritisch betrachten sollte. Die Gründerväter und ihre Verbündeten waren zum Großteil Sklavenhalter und Rassisten und die Gründung der Vereinigten Staaten erfolgte auf dem Land der indigenen Völker Amerikas, die vertrieben oder getötet wurden.

Es geht nicht darum, die Geschichte der USA zu verharmlosen, aber es ist eben keine Dokumentation, sondern eine Erzählung aus der Sicht von Alexander Hamilton.

Ein Zeichen für Vielfalt setzt die Besetzung: Alle Hauptrollen (bis auf den Antagonisten King George) sind mit BIPoC-Darsteller*innen besetzt. (Das bedeutet: Black, Indigenous, People of Colour.) Damit hat Lin-Manuel Miranda (der Macher und Hauptdarsteller des Stücks) das Rampenlicht auf viele großartige Darsteller*innen gelenkt. Er sagt, es ist „Die Geschichte von Amerika, erzählt vom heutigen Amerika.“ Noch dazu nutzen die Macher*innen des Musicals den Erfolg des Stücks, um für Antirassismus und Gleichberechtigung zu kämpfen. (Dass Donald Trump in seiner Zeit als Präsident auf Twitter über den Cast gewettert hat, ist quasi ein Ritterschlag.)

Immigrants, we get the job done!

Für einen Einblick in den Stil von Hamilton empfehle ich euch den Trailer:

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What are you waiting for?

Dieses Stück ist für alle, die bereit sind, sich auf etwas Neues einzulassen. Für Fans von Rap und modernen Musicals und für Fans von Lin-Manuel Miranda. Es ist eine Geschichte voller Drama, politischer Intrigen und vielschichtiger Figuren. Die Geschichte eines Immigranten, der sich von keinem Hindernis aufhalten ließ und die Gründung der Vereinigten Staaten von Amerika mitgeprägt hat.

There’s a million things I haven’t done,
but just you wait,
just you wait!

Und am Ende des Stücks steht die Erkenntnis, dass Geschichte immer davon beeinflusst wird, wer sie erzählt:

You have no control
Who lives, who dies,
Who tells your story.

Ich kann euch Lin-Manuel Mirandas Erzählung von Hamiltons Geschichte nur ans Herz legen. Nächstes Jahr kommt sie auch endlich nach Deutschland.

Link zum Online-Katalog © Stadtbibliothek Erlangen

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Julia

Nach den Stationen Praktikum, FSJ und Aushilfskraft bin ich der Erlanger Stabi als Auszubildende treu geblieben. Ab September 2022 arbeite ich in der Stadtbücherei Würzburg. #Büchersüchtige #Tolkienfangirl #Bastelkönigin #Musicalliebhaberin

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Kommentare

5 Antworten zu „Mein Musiktipp: Hamilton – An American Musical“

  1. Avatar von Bücherbusfahrer
    Bücherbusfahrer

    Ja liebe Julia da sag ich nur:
    Spotify, Playlist, Satisfied, Mega
    und Dein Blogartikel natürlich auch 😉

    1. Avatar von Julia
      Julia

      Dankeschön! 🙂

  2. […] Hamilton: dieses Musical ist eine weitere Sache, die unsere Wohnheim-WG zusammenschweißt. Da werden schon mal spontan Songtexte zitiert und Rap-Battles über das Finanzsystem der Vereinigten Staaten nachgestellt. (Falls ihr euch fragt: Ja, man kann ganze Gespräche im Whatsapp-Gruppenchat nur mit Hamilton-Gifs führen.) […]

  3. […] klasse. Und das sage ich nicht nur, weil auf den ersten 40 Seiten schon zwei Anspielungen auf Hamilton vorkamen. (Aber das bringt natürlich Pluspunkte). Bonuspunkte gibt es für das Cover, das den Ton […]

  4. […] und eine Gruppe Musical-Kids ist dann noch die Krönung. Ich liebe die ganzen Anspielungen auf Hamilton, Dear Evan Hansen, Into the Woods und und und… Wenn ihr noch eine leichte Sommerlektüre braucht, […]

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