Öffentliche Bibliotheken sind schon längst keine bloßen „Bücherbunker“ mehr – sie erfüllen eine zentrale soziale und kulturelle Rolle, welche zunehmend an Bedeutung gewinnt. Wie relevant diese Vielseitigkeit ist und was sie ausmacht, durfte ich in der Stadtbibliothek Erlangen persönlich erfahren.
Mein Name ist Franziska Hoffmann und ich studiere Anglistik an der FAU in Erlangen. In meinem Studium kann ich meine Liebe zur Literatur in Seminaren und Hausarbeiten zwar voll ausleben, habe allerdings keinerlei Praxisbezug.
Deshalb habe ich mich entschieden, bei einem zweiwöchigen Praktikum in der Stadtbibliothek Erlangen einmal mitzuerleben, wie Literatur tatsächlich auf Leserschaft trifft. Dafür durfte ich einen Blick in jede Abteilung der Bibliothek werfen. So habe ich zum Beispiel an den Ausleihen und Infotheken mitgeholfen, in der Medieneinarbeitung neue Medien foliert, viel über Bestellung und Einkauf gelernt. Mit dem Bücherbus bin ich in verschiedene Stadtteile mitgefahren.
Es war unglaublich spannend zu erfahren, wie vielfältig und komplex die Abläufe hinter den Kulissen einer öffentlichen Bibliothek sind, und ich hatte ehrlichen Spaß daran, sie mitzuerleben und zu erlernen. Darüber hinaus jedoch haben mir die zwei Wochen in der Stadtbibliothek Erlangen, insbesondere die Gespräche mit den Mitarbeitenden, aufgezeigt, welch eine vielschichtige Rolle Bibliotheken in der modernen Gesellschaft spielen.
Warum gibt es Öffentliche Bibliotheken?
Natürlich ist und bleibt eine zentrale Funktion von Öffentlichen Bibliotheken der offene und niedrigschwellige Zugang zu Informationen und Wissen. Im Gegensatz zu wissenschaftlichen Bibliotheken, welche größtenteils Fach- und Forschungsliteratur bereitstellen und damit eine sehr spezifische Zielgruppe von Studierenden und Akademiker*innen ansprechen, sind öffentliche Bibliotheken für alle zugänglich. Das geht mit der Verantwortung einher, die verschiedensten Zielgruppen anzusprechen, vom Kind bis zum Senior. Einrichtungen wie die Fahrbibliothek sorgen dafür, dass auch räumliche Entfernung für den weniger mobilen Teil der Leserschaft nicht zum Hindernis wird, und tragen so maßgeblich zu einem fairen Zugang zu Wissen und Unterhaltung bei.
Zusätzlich erfüllen moderne Bibliotheken auch eine Vielzahl von Funktionen, welche über die bloße Bereitstellung von Informationen hinausgehen.
Die Bibliothek als Aufenthaltsort
Schon in den 1980er Jahren betonte der US-Soziologe Ray Oldenburg die Wichtigkeit sogenannter „Dritter Orte“ – Orte, welche ohne Konsumzwang für alle gleichermaßen zugänglich sind und so als Ausgleich zu Arbeit und Familie dienen und ein gemeinschaftliches Zusammenkommen ermöglichen. Öffentliche Bibliothek erfüllen diese Rolle dadurch, dass sie einen Aufenthaltsraum bieten, welcher Personen jeglicher Altersgruppen und sozialen Positionen offensteht. Dadurch wird nicht nur ein Austausch von Wissen, sondern auch ein sozialer Austausch untereinander möglich gemacht. Dieser Austausch wird nicht nur durch die Bereitstellung von Aufenthalts- und Leseräumen gewährleistet, sondern zum Beispiel auch durch Veranstaltungen und niedrigschwelligen Zugang zum Internet an einem der vielen Bibliotheks-Computer.
Bibliotheken im digitalen Zeitalter
Die zunehmende Digitalisierung stellt Bibliotheken fortlaufend vor neue Herausforderungen. So ist es unabdinglich, den Zugang zu Medien auch digital möglich zu machen. Die Stadtbibliothek Erlangen bietet hierbei eine Vielzahl von Onlineangeboten, zum Beispiel die Onleihe, welche digitale Medien bereitstellt, sowie das Abonnement von verschiedenen Services, welche den Nutzer*innen der Bibliothek noch weiteren Zugang zu digitalen Medien bieten.
Darüber hinaus rücken auch die Aufklärung und Bildung über internetspezifische Phänomene immer weiter in den Mittelpunkt. Die Fähigkeit, kritisch mit Informationen umzugehen, wird im Angesicht der wachsenden Menge an Falschinformationen im Netz und der zunehmenden Popularität von künstlichen Intelligenzen zunehmend relevant. Das Team der Stadtbibliothek Erlangen organisiert zu diesem Zweck Workshops wie „Fakehunter“, bei denen Schulklassen lernen können, wie Fehlinformationen im Netz zu erkennen sind. Weiterhin gibt es Veranstaltungen zur korrekten Recherche für Abschlussarbeiten und auch Workshops für Senioren, bei welchen sie mit individueller Betreuung den Umgang mit digitalen Technologien erlernen können.
Bibliotheken und Demokratiebildung
Trotz ihrer Vielfältigkeit sind sämtliche Aspekte und Aufgaben einer öffentlichen Bibliothek stets von einer Sache geprägt: Der Verantwortung für das Aufrechterhalten von Demokratie und Meinungsfreiheit. Vor allem im Angesicht des in der letzten Zeit zunehmenden politischen und gesellschaftlichen Rechtsrucks wird diese Verantwortung unabdinglich. Nicht nur sind niedrigschwelliger Zugang zu Wissen und kritischer Umgang mit Informationen integral für eine offene und tolerante Gesellschaft, sondern die Bibliothek selbst als Ort des Zusammenkommens und Austausches wird zur Bühne demokratie- und toleranzfördernder Prozesse. Das geschieht zum Beispiel durch Veranstaltungen zu Themen wie Feminismus, Umweltschutz, Queerness, oder Inklusivität in Kinderbüchern, aber auch allein schon durch das Zusammentreffen von unterschiedlichsten Teilen und Teilnehmenden der Gesellschaft. Öffentliche Bibliotheken wie die Stadtbibliothek Erlangen werden somit zu zentralen Akteuren in der Produktion und Aufrechterhaltung einer gut informierten, weltoffenen Gesellschaft.
Die Rolle der Bibliotheksmitarbeitenden
Die Mitarbeitenden in öffentlichen Bibliotheken erfüllen, ähnlich wie die Bibliothek selbst, eine Doppelrolle: Sie halten den regulären Ablauf der Bibliothek aufrecht, bemühen sich aber gleichzeitig darum, ihren Nutzer*innen die aktuellsten und relevantesten gesellschaftlichen und kulturellen Themen durch Veranstaltungen und Workshops so gut wie möglich nahezubringen. Neben dem normalen Bibliotheksalltag und dem direkten Kontakt mit den Besuchern kümmern sie sich auch um Dinge wie Veranstaltungsplanung, Zusammenarbeit mit anderen Einrichtungen, und auch sehr spezifische Unterfangen wie die Planung eines neuen Stadtteilhauses in Büchenbach. Ohne ihren Einsatz wären jegliche positiven Effekte öffentlicher Bibliotheken niemals zu erwirken.
Was dieses Praktikum für mich bedeutet
In meinen zwei Wochen in der Stadtbibliothek habe ich miterleben dürfen, wie eifrig das gesamte Team sich darum bemüht, sowohl ihren Bildungsauftrag als auch die darüber hinausreichenden Aufgaben und Herausforderungen bestmöglich zu erfüllen. Meine Erfahrungen haben mich in Betracht ziehen lassen, nach meinem Studium selbst in dieses wichtige und vielseitige Berufsfeld einzusteigen.
Ich bedanke mich ganz herzlich beim gesamten Team der Stadtbibliothek, das so fantastische und wichtige Arbeit leistet und all meine Fragen stets geduldig beantwortet hat. Es hat mir sehr viel Spaß gemacht!
Franziska Hoffmann
Redaktion
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