Julia Ebner berichtet in Radikalisierungsmaschinen, wie Extremisten die neuen Technologien nutzen, um uns zu manipulieren.
Um was geht es im Buch “Radikalisierungsmaschinen” von Julia Ebner?
In Kurzform: Wie Extremisten die neuen Technologien nutzen, um uns zu manipulieren.
Und ausführlicher: Die ausgewiesene Online-Extremismus-Expertin Julia Ebner schleuste sich zwei Jahre lang undercover in verschiedene extremistische Gruppen ein, so dass wir beim Lesen ihrer Erlebnisse unmittelbar nachvollziehen können, was bei Neuen Rechten, Antifeministinnen, Terror-Schwestern, Troll-Armeen oder Verschwörungstheoretikern abgeht. Wir erfahren, warum sich Menschen im Netz radikalisieren, wer die Anführer*innen sind und welche Ideologien und manipulativen Taktiken dahinter stehen. Die Beispiele belegen eindrucksvoll ihre These, dass die Anhänger*innen des radikal Gestrigen, mit Hilfe modernster Technologie, unsere aufgeklärte Gesellschaft bekämpfen. Dabei tun sie alles, um Menschen von ihrer vermeintlichen Wahrheit zu überzeugen und gegen das angebliche globale Establishment aufzurühren. Mit zunehmenden Erfolg: Es fängt ganz klein mit dem Schimpfen „auf die da oben“ an und führt im Extremfall zu terroristischen Anschlägen.
Mein Fazit:
Das Buch liest sich stellenweise wie ein Thriller. Bei ihrer Arbeit im Londoner Institut für strategischen Dialog (ISD) erforscht Julia Ebner extreme Bewegungen und berät Regierungen und Unternehmen. Doch das Beobachten von außen reichte ihr nicht. Um mehr zu erfahren, nahm sie hohe persönliche Risiken in Kauf. Sie wagte sich nicht nur inkognito in die digitalen Räume der Radikalisierungsmaschinen, sondern traf sich auch persönlich mit Perücke und falscher Identität mit Vertretern extremistischer Bewegungen. Die brisanten Insiderinformationen legt sie offen, ungeschützt, unter ihrem eigenen Namen. Das verlangt mir riesigen Respekt ab. Dieser Mut hat sie ihren ersten Job gekostet, ironischerweise bei einer antiextremistischen Organisation. Es ist erschreckend zu sehen, wie Menschen – vor allem aus Journalismus, Wissenschaft und Politik – von einer kleinen Minderheit extremistischer Krawallmacher bedroht und eingeschüchtert werden. Umso wichtiger sind Initiativen wie HateAid, in denen sich Betroffene gegenseitig unterstützen, oder die Facebook-Community #ichbinhier, die als Gegenstrategie zu Hasskampagnen aufklärende Kommentare veröffentlicht. Das Buch zeigt aber auch, dass strengere Anti-Hatespech-Maßnahmen allein das Problem nicht lösen, denn die Bemühungen von Facebook und Twitter, Extremismus auf ihren Plattformen einzudämmen, führt lediglich zum Ausweichen auf alternative Plattformen. Wie kann den Extremisten im Netz dann der Nährboden entzogen werden? Mit Internet aus, Augen zu und Wegducken sicher nicht. Laut Julia Ebner sind digitale Bildung und eine aufgeklärte Nutzung neuer Technologien Voraussetzung für alle Anti-Extremismus-Bemühungen.
„Spannend, erhellend, erschütternd – Dieses Buch ist wichtig“ sagt Jan Böhmermann. Ich stimme zu.
Und jetzt lesen:
Julia Ebner: Radikalisierungsmaschinen / Suhrkamp, 2019. – 334 S.
Mehr erfahren:
Marlene
Neueste Artikel von Marlene (alle ansehen)
- Social-Media-Aktivitäten von Bibliotheken – 5. September 2024
- Idas freiwilliges Jahr in der Bibliothek – 21. August 2024
- E-Book-Reader ausleihen – 25. Juli 2024
- E-Book-Ausleihe mit neuen Tolinos – 19. Juli 2024
- Bibliotheksarbeit für und mit der Generation+ – 25. Juni 2024
Schreibe einen Kommentar