“Der Bruch” von Doug Johnstone ist zugleich ein spannender Kriminalroman wie auch eine Sozialstudie über Edinburghs Unterschicht.
Was ist die Story?
Edinburgh. Tyler (17) lebt mit seiner drogen- und alkoholabhängigen Mutter Angela und seiner kleinen Halbschwester Bethany, genannt „Bean“, in Niddrie, einem sozialen Brennpunkt. Er versucht, Bean ein einigermaßen geregeltes Leben zu ermöglichen. Er begleitet sie in die Schule, erzählt ihr Gute-Nacht-Geschichten und tut alles, um sie vor den älteren Halbgeschwistern zu schützen. Der psychopathische Barry und die von ihm abhängige Kelly führen in der Nachbarwohnung eine inzestuöse Beziehung. Sie taumeln von einem Drogenrausch in den anderen und „verdienen“ ihren Lebensunterhalt mit nächtlichen Einbrüchen in den reicheren Gegenden Edinburghs. Tyler muss sie auf diesen Touren begleiten, denn auf Grund seiner schmächtigen Statur kann er sich durch kleine Fenster zwängen, um die anderen ins Haus zu lassen. Er tut das mit wachsendem Widerwillen, einzig und allein in dem Wissen, dass sonst Bean dafür herhalten muss.
Bei einem “Bruch” steigen die Geschwister unwissentlich in das Haus des hiesigen Gangsterbosses Deke Holt ein. Sie verletzen seine Frau lebensgefährlich und können mit der Beute fliehen. Dann überschlagen sich die Ereignisse. Tyler steht zwischen allen Stühlen. Die Polizei setzt ihn unter Druck, sein Bruder ebenso. Ganz zu schweigen von der Familie Holt, die eine hohe Belohnung für Hinweise aussetzt und sich selbst auf die Jagd nach den Tätern begibt.
In all dem Chaos lernt Tyler bei einem seiner nächtlichen Spaziergänge ein gleichaltriges Mädchen kennen. Felicity, genannt „Flick“, lebt in einem Internat in Edinburgh. Sie hat zwar keine finanziellen Sorgen, ist aber zutiefst einsam und unglücklich und sehnt sich nach menschlicher Nähe. Die beiden ungleichen Jugendlichen kommen sich näher und helfen sich gegenseitig, während die Geschichte auf einen blutigen Höhepunkt zusteuert.
“Craigmillar?” “Niddrie.”
Diese beiden Namen trugen so viel Bedeutung, transportierten einen ziemlichen Ruf. Die härtesten sozialen Brennpunkte der Stadt, auf einer Stufe mit den übelsten Stadtteilen des Landes, Synonyme für Armut, Kriminalität, Drogen und den ganzen Rest. Jedes Klischee von sozialer Verwahrlosung passte hier, und er verkörperte das alles. Er fühlte sich schmutzig in diesem sauberen Auto, fast als würde er schon allein durch seine Anwesenheit Flicks makelloses Leben beschmutzen. Er stellte sich vor, wie er auf sie wirken musste, und fühlte sich gleich mies.
Mein Fazit
Dieser Roman hat mich stellenweise an Liz Moores „Long Bright River“ erinnert. Auch hier das Bild einer dysfunktionalen Familie, zerrüttete Verhältnisse, Drogen, soziales Elend in der Unterschicht. Tyler hat einen hohen Moralkodex, hinterfragt sein eigenes Tun und er stellt seine Wünsche hintenan. Alles geprägt von dem Willen, seine kleine Schwester zu beschützen. Die zarte Liebesgeschichte zwischen ihm und Flick ist ein Hoffnungsschimmer in dieser heruntergekommenen Welt und außerdem ist da noch Bean, der alle Herzen zufliegen.
Ein emotionaler Pageturner mit unglaublich starken, liebenswerten Charakteren. Dieser empfehlenswerte Roman stand 2019 auf der Shortlist für den McIlvanny-Preis als bester schottischer Kriminalroman des Jahres und ist im Februar 2021 direkt auf der Krimibestenliste eingestiegen. Hoffentlich verlegt der Polarverlag noch mehr von Doug Johnstones Romanen, denn ihm sind viele Fans zu wünschen.
Und jetzt lesen:
Doug Johnstone: Der Bruch / Polarverlag, 2021 – 308 Seiten
Martina
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