Seit September 2021 mache ich einen Bundesfreiwilligendienst Kultur in der Stadtbibliothek Erlangen. Zu einem BFD gehört auch ein selbstständig geplantes und durchgeführtes Projekt. Wie mein Projekt aussieht, erfahrt ihr hier.
Am Anfang war nichts
Das Schwierigste bei so einem Projekt ist immer die Ideenfindung. Nach anfänglicher Ratlosigkeit kam der Gedanke auf, ein Projekt mit oder für Senior*innen zu gestalten. Damit war zumindest der Grundstein gelegt. Weil ich mich sehr für Geschichte(n) interessiere, war auch das Thema schnell da: Das Leben der Senior*innen. Im Gespräch mit Kolleg*innen entwickelte sich dann eine konkretere Idee zur Umsetzung: Ich würde die Menschen interviewen und das Ergebnis zu einem Heft zusammenfassen.
Vorbereitungen
Zuerst stellte sich die Frage: Wie erreiche ich Leute, die sich zu einem Interview bereiterklären? Glücklicherweise gibt es in Erlangen relativ viele Anlaufstellen für Senior*innen. Ich habe also Anfragen an das Seniorenamt, Verein Dreycedern e.V. und ähnliche Einrichtungen geschickt, in denen ich meine Projektidee erklärt und um Hilfe bei der Kontaktvermittlung gebeten habe. Über diesen Weg landete meine Anfrage in den Seniorennachrichten.
Der zweite wichtige Punkt war die Vorbereitung auf die Interviews. Ich musste mir Gedanken machen, welchen thematischen Schwerpunkt ich im Interview legen möchte und dementsprechend Fragen überlegen. Nach längerem Überlegen entschied ich mich dazu, einen Schwerpunkt in der Kindheit zu setzen, weil das meiner Lebensrealität am nächsten kommt. Einen zweiten Schwerpunkt legte ich auf einen Rückblick auf das Leben. Ich denke, dass die Perspektiven älterer Menschen auf das Leben für Jüngere oft hilfreich oder beruhigend sein können. Außerdem war wichtig, die Fragen möglichst offen zu formulieren, damit genug Raum für Erzählungen bleibt. So erstellte ich schließlich eine Fragenliste von ungefähr 30 Fragen, wie „Was haben Sie gesehen, wenn Sie [in der Kindheit] aus Ihrem Zimmerfenster geblickt haben?“ oder „Was, würden Sie sagen, ist das Wichtigste im Leben?“.
Nachdem die Vorbereitungen abgeschlossen waren, blieb mir nur noch zu warten.
Die Interviews
Tatsächlich erhielt ich im April einen Anruf: Meine Anzeige hatte die Frau am anderen Ende der Leitung angesprochen und sie erklärte sich zu einem Interview bereit. Wir machten also einen Termin aus und führten das Interview bei mir in der Stadtbibliothek.
Im Vorfeld war ich ein wenig nervös, dass die Konversation trotz der vielen Fragen zu kurz werden könnte. Die Sorge stellte sich schnell als unbegründet heraus: Das erste Gespräch dauerte eine Stunde. Am Ende bot meine Gesprächspartnerin an, in ihrem Bekanntenkreis Werbung für mich zu machen. So kamen dann auch zwei weitere Interviews zustande.
Die Unterhaltungen schnitt ich mit einer App auf meinem Handy mit. Meine nächste Aufgabe – und im Nachhinein auch die zeitaufwändigste – war also das Verschriftlichen des Gehörten. Ich entschied mich dazu, die Gespräche wortwörtlich aufzuzeichnen und nur ein bisschen zu glätten, also alle Verzögerungslaute zu streichen und verwirrende Satzstrukturen anzupassen. Das kostete mich mehr Zeit als gedacht. Aus diesem Grund ist es „nur“ bei den drei Interviews geblieben.
Nachdem mehrere Kolleginnen für mich Korrektur gelesen hatten, ließ ich die fertigen Transkriptionen meinen Interview-Partnerinnen zukommen. So konnten diese kontrollieren, ob ich alles richtig übertragen habe. Danach mussten die Interviews nur noch zusammengestellt und zum Binden gegeben werden. Damit war mein BFD-Projekt fertig.
Was bleibt
Obwohl das Transkribieren eine anstrengende und eintönige Tätigkeit war, hat gerade das am Ende Spaß gemacht. Manche Dinge musste ich recherchieren, um den Kontext zu verstehen und so habe ich viel Neues über beispielsweise die Geschichte Erlangens erfahren.
Durch das häufige Anhören der Konversationen blieb außerdem viel Zeit, sich mit den Inhalten auseinanderzusetzen. Alle drei haben eine schöne Lebenseinstellung und wunderbare Perspektiven geäußert. Aus jedem Gespräch konnte ich einen interessanten Blickwinkel für mich mitnehmen. Ich bin dankbar, dass ich diese Interviews führen durfte.
Also ich glaube, was eine ganz wichtige Erkenntnis ist, worüber ich heute auch oft nachdenke, ist, zu versuchen das Glück zu sehen. Also, dass du nicht sagst: „Ich habe das nicht, und meine Nachbarn haben das, und oh, ich habe das nicht“, sondern zu sagen: „Ich habe das und ich habe das und ich habe das“ und dann lebst du viel besser.
Falls ihr jetzt neugierig geworden seid, könnt ihr euch das fertige Exemplar in der Stadtbibliothek ausleihen oder als PDF durchblättern.
Wollt ihr wissen, was man im freiwilligen Jahr noch so auf die Beine stellen kann? Dann schaut euch doch mal die Projekte aus den Jahren 2018, 2020 und 2021 an! 😉
Über den Verfasser des Blogbeitrags:
Hallo, ich heiße Laurin und bin 19 Jahre alt. Seit September 2021 mache ich meinen Bundesfreiwilligendienst hier in der Stadtbibliothek Erlangen. Es macht mir sehr viel Spaß – auch, weil ich mir kaum schöneres vorstellen kann, als den ganzen Tag von Büchern umgeben zu sein. Ansonsten mache ich in meiner Freizeit gerne Musik, gehe ins Theater oder bastle an einem neuen Bausatz herum.
Redaktion
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