Am 18. März 2025 fand in der Stadtbibliothek Erlangen eine inspirierende und aufschlussreiche Lesung mit der Autorin, Wissenschaftlerin und Aktivistin Dr. Natasha A. Kelly statt. Sie las aus ihrem Buch Schwarz.Deutsch.Weiblich. Warum Feminismus mehr als Geschlechtergerechtigkeit fordern muss, in dem sie die Erfahrungen Schwarzer Frauen in Deutschland aus einer intersektionalen Perspektive skizziert. Die Lesung wurde von der Gleichstellungsstelle und der Antidiskriminierungsstelle gemeinsam mit der Stadtbibliothek der Stadt Erlangen und der „Partnerschaft für Demokratie“ in Erlangen organisiert. Eingebettet war die Lesung in das Rahmenprogramm zum Internationalen Frauentag (8. März) und den Wochen gegen Rassismus. Ein Veranstaltungsrückblick von Saron Kiflemariam.
Ein Abend der Reflexion und des Austauschs
Eröffnet wurde die Lesung mit einer kurzen Begrüßung durch den Leiter der Stadtbibliothek Dr. Adrian La Salvia. Anschließend übernahm die Gleichstellungsbeauftragte Dr. Nora Hahn-Hobeck die Moderation des Abends. Sie erläuterte dem Publikum zunächst den Kontext der Veranstaltung, die ganz bewusst sowohl im Themenmonat zum Weltfrauentag als auch in den Wochen gegen Rassismus platziert wurde. Die Verbindung dieser Themen entsprechen dem zentralen Konzept der Intersektionalität, das Dr. Natasha Kelly in ihrem Buch behandelt. Sie erklärt, dass Diskriminierung nicht isoliert betrachtet werden kann, sondern dass sich verschiedene Diskriminierungsformen – etwa Rassismus, Sexismus und Klassismus – überlappen und verstärken. Besonders für Schwarze Frauen ist diese Mehrfachdiskriminierung prägend, da sie sowohl rassistische als auch geschlechtsspezifische Benachteiligungen erleben. Daher appellierte die Gleichstellungsbeauftragte Dr. Hahn-Hobeck, den Abend als Gesprächsraum für Menschen mit unterschiedlichen Diskriminierungserfahrungen zu nutzen und sich als Verbündete zu verstehen. Anschließend wurde das Lied Freedom.Freiheit.Liberté von Fasia Jansen abgespielt, das mit seiner kraftvollen Botschaft von Widerstand und Emanzipation perfekt zur Thematik des Abends passte.
Dr. Natasha A. Kelly und ihr Buch Schwarz.Deutsch.Weiblich.
Dr. Natasha A. Kelly ist eine renommierte Wissenschaftlerin, Künstlerin und Aktivistin, die sich intensiv mit Kolonialgeschichte, Rassismus und der Schwarzen feministischen Bewegung auseinandersetzt. In ihrem Buch Schwarz.Deutsch.Weiblich. zeigt Dr. Kelly, wie Elitedenken und rassistische Vorurteile noch immer den westlichen feministischen Diskurs bestimmen und so einen für alle offenen Feminismus verhindern. Sie verbindet dabei historische Entwicklungen mit persönlichen Geschichten.

Thematische Schwerpunkte der Lesung
Inhaltlich konzentrierte sich die Lesung auf drei zentrale Themenbereiche.
Zunächst las Dr. Kelly einen Ausschnitt aus ihrem Buch zur afrikanischen Diaspora in Berlin und den Erfahrungen Schwarzer Menschen in der weißen Mehrheitsgesellschaft. Sie zeichnete die Heterogenität der afrikanischen Diaspora im Westen auf, die sich aus unterschiedlichen Herkunftsländern, Kulturen und Sprachen zusammensetzt. Außerdem erläuterte Dr. Kelly, wie sich der Schwarze Feminismus des Westens und der des Globalen Südens zueinander verhalten. Wichtig dabei sei, dass der Schwarze Feminismus des Westens nicht in den Globalen Süden importiert werden könne, so Dr. Kelly. In einigen Hinsichten sei die feministische Bewegung im Globalen Süden bereits fortgeschrittener, als es im Westen anerkannt wird. Die feministischen Bewegungen sollten sich laut Dr. Kelly auf Gemeinsamkeiten fokussieren und sich solidarisch zeigen.
Ein weiterer Schwerpunkt lag auf dem Buch „Farbe bekennen. Afrodeutsche Frauen auf den Spuren ihrer Geschichte“ von Audre Lorde, das als wegweisendes Werk für die Afrodeutsche Bewegung gilt. Dr. Kelly erläuterte, welchen Einfluss Lordes Arbeit auf die Politisierung und Vernetzung Schwarzer Frauen in Deutschland und auch auf sie selbst hatte. Sie ging dabei auf zentrale Aspekte des Buches ein und zeigte auf, wie es zur Entwicklung einer kollektiven Identität beitrug. Die Veröffentlichung von Farbe bekennen führte zu einer stärkeren Vernetzung innerhalb der Community und zur Gründung der Initiative Adefra – Schwarze Frauen in Deutschland, die bis heute aktiv ist.
Dr. Kelly begegnete dem Buch erstmals in ihrer Schulzeit als Lektüre, die sie als einzige außerhalb des Regelunterrichts lesen sollte. Schon da zeigte sich, dass es ihr nur außerhalb bestehender Curricula möglich sei, sich mit Schwarzer Geschichte in Deutschland auseinanderzusetzen, so Dr. Kelly. Sie fordert daher eine institutionelle Verankerung von Black Studies an deutschen Universitäten, um Schwarze Geschichte und Gegenwart sowie die Lebensrealitäten Schwarzer Menschen in Deutschland wissenschaftlich zu erforschen und zu lehren.
Abschließend widmete sie sich der politischen Partizipation Schwarzer Frauen in Deutschland und reflektierte über bestehende Barrieren sowie die Erfolge und Fortschritte Schwarzer Politikerinnen und Aktivistinnen. Sie verdeutlichte, dass strukturelle Herausforderungen oft von institutionellen Hürden begleitet werden, aber dennoch immer mehr Schwarze Frauen in politischen Entscheidungsprozessen sichtbar werden. So nannte sie beispielhaft Awet Tesfaiesus, die 2021 als erste Schwarze Frau in den Deutschen Bundestag einzog, und die ehemalige EU-Abgeordnete Dr. Pierrette Herzberger-Fofana, die bei der Lesung anwesend war. Die Notwendigkeit, diesen Wandel in der Politik, aber auch im Aktivismus aktiv zu fördern, wurde in der anschließenden Diskussion nochmals betont.
Aktivismus und Austausch: Die Initiative Schwarze Menschen in Deutschland (ISD) Nürnberg
Einblicke in die aktivistische Arbeit innerhalb der Schwarzen Community bot Vanessa-Irene Omoigui von der Initiative Schwarze Menschen in Deutschland (ISD) Nürnberg. Die ISD feiert diesjährig ihr 40-jähriges Jubiläum und setzt sich seitdem für die Rechte, Sichtbarkeit und Stärkung der Schwarzen Community in Deutschland ein. Die Ortsgruppe in Nürnberg hat sich 2020 gegründet und leistet Empowerment-Angebote, politische Bildungsprojekte und die Organisation von Events. Omoigui schilderte aber auch aktuelle Herausforderungen wie fehlende finanzielle Mittel und mangelnde Räumlichkeiten. Ihre Ausführungen unterstrichen die Notwendigkeit von Vernetzung, Empowerment und politischem Engagement.
Offene Fragerunde und Resonanz des Publikums
Zum Abschluss der Veranstaltung wurde eine offene Fragerunde eröffnet, in der das Publikum die Möglichkeit hatte, Fragen zu stellen und eigene Gedanken einzubringen. Viele Besucher*innen äußerten sich beeindruckt von den tiefgehenden Analysen und den persönlichen Perspektiven, die Dr. Kelly teilte. Die Diskussion zeigte, dass ein großes Interesse an der Auseinandersetzung mit Themen wie Rassismus, Identität und intersektionalem Feminismus besteht – sowohl von Mitgliedern der Schwarzen Community als auch von weißen Verbündeten.
Die Lesung mit Natasha Kelly war weit mehr als eine Buchpräsentation – sie war ein Raum des Austauschs, der Reflexion und der Stärkung. Die Verbindung von Literatur, Geschichte und aktivistischem Engagement machte den Abend zu einem bedeutenden Beitrag für die Diskussion über Gleichstellung, Identität und soziale Gerechtigkeit.
Ein herzlicher Dank geht an alle Beteiligten, insbesondere an die Gleichstellungsstelle der Stadt Erlangen, die Antidiskriminierungsstelle, die Stadtbibliothek, die ISD Nürnberg und natürlich an Dr. Natasha A. Kelly für ihre inspirierenden Worte.
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Redaktion
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