Was haben Lesepat*innen mit Wissenschaft zu tun und warum sind sie so wichtig? Wie unterstützt eine Bibliothek diese wertvolle Aufgabe? Was könnt ihr tun, wenn ihr dieses Ehrenamt ausüben möchtet?
Praxisseminar und das Projekt „Forlesen“
Im Rahmen meines Studiums der Buchwissenschaft besuchte ich 2017 bei Herrn Dr. Titel das Projektseminar „Mediensozialisation“. Ziel des Kurses war die Durchführung von Leitfragen-Interviews in 36 Kindertagesstätten des Landkreises Forchheim zum Thema Lesepat*innen. Dies fand im Rahmen des Projektes „Forlesen“ statt. Kooperationspartner sind das Bildungsbüro Forchheim, die Akademie für Ganztagesschulen und die Buchwissenschaft an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen. Als Dankeschön für die Teilnahme an den Befragungen erhielten die Einrichtungen thematische Lesekoffer. Die Finanzierung übernahm das Landratsamt Forchheim.

15 Student*innen schwärmten aus, fragten den Kitaleiter*innen Löcher in den Bauch und fotografierten gemütliche Leseplätze.
Uns interessierte zum Beispiel, welche Medien werden im Kindergarten und in der Krippe eingesetzt. Welche Rolle spielen Lesepat*innen? Wie werden Vorlesestunden organisiert? Wie viele Kinder nehmen daran teil?
Welche Rolle haben Lesepat*innen?
Im Jahr 2019 analysierte ich in meiner Bachelorarbeit die umfassenden Interviews und stellte die Frage: Wie können Lesepat*innen die Umsetzung des Bayerischen Bildungs- und Erziehungsplans in Bezug auf Literacy unterstützen? Literacy meint kindliche Erfahrungen rund um Buch-, Erzähl- und Schriftkultur. Der bayerische Bildungs- und Erziehungsplan enthält Vorgaben, wie Institutionen im Bereich der Leseförderung arbeiten sollen.
Ihr könnt Euch sicher vorstellen, dass Lesepat*innen dabei eine wichtige Rolle spielen. Sie bauen eine enge Bindung zu den Kindern auf, denn Nestwärme ist wichtig. Die meist ein bis zwei Stunden sind für alle eine intensive Zeit der Beziehung. Auf dieser Basis gelingt Lernen ganz einfach. Sie wecken Interesse und lassen die Kinder in die Geschichten eintauchen. Lesepat*innen philosophieren, spazieren, basteln und backen und helfen damit die Phantasie anzuregen, stärken die Konzentration, vermitteln Lesefreude und fördern den Spracherwerb. Meist sind sie einmal in der Woche in der Einrichtung und lesen dort im Durchschnitt fünf bis zehn Kindern oft nach einem ritualisierten Ablauf vor.

Eine kleine Anekdote aus dem Krippenalltag zeigt diese Macht der Rituale. Schon kleine Kinder stellen besondere Verknüpfungen zum Buch her: Die Erzieherin einer anderen Gruppe war mit der stillen Beobachtung der Ereignisse beauftragt. Sie setzte sich auf den Platz der Lesepatin. Sofort kamen zwei Kinder auf sie zu, mit einem Buch in der Hand… In sehr vielen Einrichtungen gibt es Leseecken, teils sogar kleine Büchereien. Und natürlich bestehen auch Kooperationen mit Bibliotheken. Wir als Stadtbibliothek bieten Führungen an und verschicken Medienkisten. Die Kindergärten nennen ihre Wunschthemen und wir suchen altersgerechte Bücher, Zeitschriften, Filme und CDs aus. Vor Ort beraten wir die Lesepat*innen bei Fragen. Ab dem 03.05.2022 findet bei uns wieder der Vorlesespaß für Kinder ab vier Jahren mit Begleitperson statt.
Veröffentlichte Ergebnisse im Buch „Medienbildung und Literacy“
Das Projekt lief in Grund- und weiterführenden Schulen im Landkreis Forchheim weiter. Auch hier wurden Interviews über die Mediennutzung geführt und ausgewertet. Herr Dr. Titel stellt in seinem Lehr- und Praxisbuch „Medienbildung und Literacy in Kindergarten und Schule“, Kernpunkte der wissenschaftlichen und bildungspolitischen Debatte vor. Daraus werden Leitlinien für die praktische Arbeit erstellt. Es folgen Handlungsempfehlungen und eine wahre Fundgrube an Best-Practice-Beispielen. Sie umfassen zum Beispiel empfohlene Informationsseiten wie „Stiftung Lesen“, „Netzwerk Vorlesen“ oder „Stiftung Medienpädagogik Bayern“. Darauf folgen ausgewählte Projektideen. Wenn ihr schon Lesepat*in seid, könnt Ihr Euch hier für die Arbeit mit den Kindern inspirieren lassen. Die Ideen umfassen 30 Minuten Vorschläge sowie Aktionen für ein ganzes Jahr. Auch Kitaleiter*innen und Lehrer*innen finden reichhaltiges Material zur Fort- und Weiterbildung.

Hier geht’s zum Buch:
Volker Titel ; unter Mitwirkung von Karin Rosa, Julia Schilling, Anna-Maria Seemann: Medienbildung und Literacy in Kindergarten und Schule : Lehr- und Praxisbuch / AfGmedia, 2021. – 505 Seiten
Was mache ich, wenn ich nun Lust bekommen habe, Lesepat*in zu werden?
Wir beraten Euch gerne, wenn Ihr Interesse habt Kinder auf ihrem Weg zum Buch zu begleiten. Die Kinderbibliothek arbeitet mit Lesepat*innen, Familienpat*innen, Bildungspat*innen und den Mentor Leselernhelfer*innen zusammen. Wir klären über diese verschiedenen Möglichkeiten auf und haben natürlich für jedes Kind das passende Buch. Lesepat*innen bekommen außerdem eine kostenlose Bibliothekskarte.
Auch unser neues digitales Angebot „Onilo“ unterstützt ergänzend die Leseförderung. Leselernhelfer*innen können zum Beispiel auch im Distanztreffen online gemeinsam ein Buch lesen. Dies funktioniert über „Codes“, die wir den Lesepat*innen ausstellen. Beim Vorlesen in Gruppen erscheinen die passenden Bilder dank Beamer gut sichtbar an der Wand. Wir bieten Bastel- und Arbeitsmaterialien zu vielen Geschichten an. Entdeckt vor Ort in der Stadtbibliothek den gesamten Umfang von über 180 Büchern, auch in englischer Sprache. Gerne erklären wir Euch, wie alles funktioniert.
Karin
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