Bayerischer Bibliothekstag 2021 in der Erlanger Ladeshalle

Bayerischer Bibliothekstag in Erlangen

Vom 15. bis 16. September 2021 fand in Erlangen der Bayerische Bibliothekstag statt. Die Veranstaltung stand unter dem Motto „Bibliotheken – Orte für Ideen“. Ein persönlicher Rückblick.

Im zweiten Anlauf hat es trotz Pandemie geklappt: In der Erlanger Heinrich-Lades-Halle sah sich ein Teil der Bayerischen Bibliothekscommunity auf einer „echten“ Konferenz wieder – mit Abstand, Maske und 3G-Regel.

Bibliotheken sind da

Grußworte

Dr. Gerhard Hopp, MdL„Wir haben Kultur vermisst, wir haben Begegnung vermisst, wir haben den Austausch vermisst“: Mit diesen Worten begrüßte Dr. Gerhard Hopp, Vorsitzender des Bayerischen Bibliotheksverbands, die Runde.

Niemand konnte sich beim letzten Bayerischen Bibliothekstag 2018 in der Oberpfalz vorstellen, welche Pandemie auf uns zukommen würde. Im März 2020 veränderte sich alles. Bibliotheken mussten schließen, um Menschen zu schützen. Gleichzeitig wurde der Zugang zu Medien und Informationen weiter gewährleistet, sei es durch Abhol- und Bringdienste oder digitale Angebote.

Bibliotheken mussten für ihre Sichtbarkeit kämpfen, ihre Bedeutung der Politik deutlich machen. Waren sie in Bayern zunächst mit Freizeitparks gleichgestellt, wurden sie später gemeinsam mit Buchhandlungen zu systemrelevanten Einrichtungen.

Auch die Universitätsbibliothek der FAU tat alles, um die Bibliotheken soweit es ging offenzuhalten, sagte Christian Zens, Kanzler der FAU Erlangen, in seinem Grußwort. Er betonte, dass neben dem Erschließen, Bewahren und Vermitteln von Literatur die Schaffung von „Lernwelten“ und Beratungsangeboten an Bedeutung gewinnt. Mit der sich in der Planung befindenden Bibliothek im Himbeerpalast soll die seiner Meinung nach ineffiziente Form der vielen kleinen Teilbibliotheken beendet werden.

Dr. Florian Janik, Oberbürgermeister der Stadt Erlangen, betonte in seinem Grußwort den sozialen Auftrag der Bibliothek: „Auch in unserer Stadt ist das Buch daheim nicht die Normalität. Die Schwierigkeit ist, sich um diejenigen zu bemühen, die nicht von alleine zum Lesen in die Bücherei kommen.“

Festvortrag

Als Gastredner sprach der renommierte Soziologe Dr. Armin Nassehi über „Die überforderte pandemische Gesellschaft“. Ein Vortrag, der begeisterte, wie ich in den Pausengesprächen vernehmen konnte.

Die Pandemie hat zahlreiche gesellschaftliche Folgen. Benachteiligte Gruppen sind besonders getroffen. Die soziale Ungleichheit ist gewachsen. Was bedeutet das für die Öffentlichen Bibliotheken? Sie sollten meiner Meinung nach ihren sozialen Auftrag noch stärker wahrnehmen, indem sie sich auf zielgruppengerechte Angebote im Bereich Lese- und Sprachförderung sowie Medienbildung für Kinder, Jugendliche und Erwachsene auch jenseits des klassischen Bildungsbürgertums fokussieren.

Viele Köche würzen den Brei: partizipative Bibliotheksgestaltung

Am Nachmittag besuchte ich den Themenkreis 2 „Partizipation“. Parallel dazu beschäftigte sich der Themenkreis 1 mit „Ausbildung und Studium mit Zukunft“.

Erlangen

Der Leiter der Erlanger Stadtbibliothek, Dr. Adrian La Salvia, berichtete vom Neubau eines Stadteilzentrums in Büchenbach. Das Konzept basiert auf Ergebnissen einer Bürgerbeteiligung. Entstehen soll ein offenes Haus mit unterschiedlichen Atmosphären, in dem die Bibliothek und weitere Akteuren Räume gemeinsam bespielen.

Nürnberg

Stephanie Kolbe und Julia Gauthier von der UB Erlangen-Nürnberg stellten die partizipative Entwicklung einer Einrichtungskonzeption für die Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Zweigbibliothek vor. Im Rahmen einer Case Study haben Masterstudierende den Auftrag erhalten: Verbessert das Lernerlebnis in der Bibliothek, ohne Restriktionen, unter Berücksichtigung des Budgets! Daraufhin erarbeiteten 140 Studierende mit Hilfe von Design Thinking Vorschläge. Design Thinking ist ein Ansatz, Menschen besser zu verstehen, sie einzubeziehen und den Service anzubieten, den sie brauchen. Es wurden folgende Probleme identifiziert, die angegangen werden:

  • Fehlende Stukturierung der Bibliothek in verschiedene Zonen
  • Fehlende Ausgleichs- und Entspannungsangebote sowie gastronomische Angebote für Lernpausen
  • Wenig ergonomische und schlecht ausgestattete Arbeitsplätze
  • Fehlende Atmosphäre (Licht etc.)

Mögliche Lösungen wurden als Prototypen konzipiert und mit dem Bibliotheksteam anhand eines Kriterienkatalogs (Finanzierbarkeit, technische Realisierbarkeit, Vereinbarkeit mit Zielen Bibliothek/Fachbereich) diskutiert. Im kommenden Jahr wird die Umsetzung erfolgen.

Penzberg

Im dritten Vortrag berichteten Katrin Fügener und Ilka Heissig über ihr Projekt „wohnZimmer Rathauspassage“: Ein ödes Einkaufszentrum in einen attraktiven Dritten Ort mit Bürgerbeteiligung zu verwandeln – diese Aufgabe hat sich die Stadtbücherei Penzberg gestellt. Dem Projekt voran ging eine inspirierende Bibliotheksreise in die Niederlande. Mit Fördergeldern der Kulturstiftung des Bundes wurde gemeinsam mit Entscheidern, Partnern, Verwaltung und „Nachbarn“ in Workshops Ideen für die künftige Gestaltung und Nutzung der Passage entwickelt. Durch Corona konnte das Projekt nicht wie geplant durchgeführt werden. Doch auch auf digitalen Wegen wurden viele Leute erreicht, z. B. mit einer Online-Befragung. Nun geht es an die Visualisierung des erarbeiteten Konzeptes. Dafür wird ein Showroom als Prototyp eingerichtet. Kommendes Jahr wird das Konzept im Stadtrat präsentiert. Penzberg ist zu wünschen, dass die entwickelten Ideen dann auch tatsächlich umgesetzt werden.

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Abendprogramm

Fränkischer Abend mit Fitzgerald Kusz und Klaus BrandlZwischen Vorträgen und den Festabend fanden einige Kolleg*innen Zeit für eine Führung durch die Erlanger Stadtbibliothek.

Beim Fränkische Abend spielten Fitzgerald Kusz und Klaus Brandl den eigens für den Bibliothekstag komponierten Bücherblues. Der Tag klang mit gutem Essen und anregenden Gesprächen aus.

Bibliotheken in Zeiten von Corona

Der zweite Tagungstag stand im Zeichen von Corona. Zunächst stellte sich Dr. Hopp den Fragen und Erfahrungsberichten der Anwesenden bezüglich der neuen 3G-Regel in Bibliotheken.

Hintergrund: Anfang September mussten auch Bibliotheken innerhalb kürzester Zeit sicherstellen, dass nur noch Geimpfte, Genesene und Getestete Zutritt erhalten. Angesprochen wurden folgende Problemfelder:

  • Die Zeit reichte nicht, die neuen Regeln rechtzeitig zu kommunizieren. Dies sorgte für viel Ärger.
  • Es muss immer mindestens eine Person für die Kontrolle der Nachweise abgestellt werden. Dies ist personell kaum zu leisten. Auskunftsplätze können nicht mehr besetzt werden, die eigentliche bibliothekarische Arbeit kommt zu kurz.
  • In den meisten Bibliotheken gibt es keinen externen „Wachdienst“. Mitarbeitende müssen sich sensible Daten ihrer Besucher*innen zeigen lassen. In Kommunen, in denen jeder jeden kennt, wird dies als übergriffig wahrgenommen.
  • Die betroffenen Mitarbeiter*innen müssen sich immer wieder beschimpfen lassen.
  • Angesprochen wurde auch die gefühlte Ungleichheit: Warum müssen sich die Menschen beim Zutritt zur Bibliothek „kontrollieren lassen“, beim Klamottengeschäft gegenüber oder beim Amt nebenan aber nicht. Das ist schwer zu vermitteln.

Viele Bibliotheken fühlen sich bei der Durchsetzung der 3G-Regeln überfordert und unwohl. Und nicht nur das: Der freie Zugang zu Bibliotheken für jede*n, das Niedrigschwellige und Integrative, ist nicht mehr gewährleistet. Das rüttelt am Selbstverständnis der Bibliotheken. Viele Menschen kommen nicht mehr, auch Kinder. Es gibt die Befürchtung, dass diese Menschen auch in Zukunft die Bibliothek nicht mehr besuchen werden.

Dieser Austausch zu Umsetzung und Folgen der 3G-Regel in Bibliotheken war geprägt von Sorgen und schlechten Erfahrungen.

Im zweiten Teil des Vormittags dagegen stellten die Kolleg*innen viele Positiv-Beispiele zum Umgang mit der Corona-Pandemie in Bibliotheken vor.

Weiden

Als Corona kam, versuchte man in der Regionalbibliothek Weiden Ruhe zu bewahren, ein Fels in der Brandung zu sein und positive Stimmung zu vermitteln. Die telefonische Erreichbarkeit war wichtig. Eine Fensterausleihe wurde ermöglicht. Um den Kontakt zu halten, kam Social Media verstärkt zum Einsatz. Leseförderung wurde mit digitalen Mitteln weiter betrieben. Ein Beispiel ist die Regibert Leserallye.

Bad Abbach

Diese kleine Marktbücherei mit zwei Halbtagskräften und 20 Ehrenamtlichen hat alle Mittel und Wege in Bewegung gesetzt, um trotz Corona, für die Menschen vor Ort da zu sein. Im Advent wurden Bücher ausgeliefert, später bei Click und Collect Terminbuchungen online angeboten.

Fürth

Kinder standen auch bei der Volksbücherei Fürth im Mittelpunkt aller Bemühungen. Im Projekt „Schmökern & Gewinnen lasen 90 Kinder zeitgleich ein Buch. Die Zeitung veröffentlichte Fragen zum Buch und Preise wurden verlost. Außerdem gab es QR-Code-Rallyes, Rooftop-Stories als Podcast, ein Poesie-Telefon und eine Silent Reading Party im Garten.

Gröbenzell

Die Leiterin der preisgekrönten Bibliothek schilderte sehr empathisch, welche Herausforderungen Corona für Führungskräfte bereitgehalten hat. Durch den Wegfall von Aufgaben und dem Arbeiten von zu Hause entstand auch psychischer Stress. Es drohte Teamspaltung und Vertrauensverlust.  Aber es gab auch viele Chancen: Zeit für Fortbildung, Förderung der Eigenständigkeit und Prozessoptimierung. Zur Stärkung des Wir-Gefühls wurden Routinen für das Miteinander entwickelt, wie wöchentliche Gemeinschaftscalls und Spaziergänge.

Straubing

In Straubing fand ein großes Literaturfestival Co.Libri vollständig digital statt. Ein großer Erfolg!

Regensburg

Die Staatliche Bibliothek Regensburg entwickelte „Die Literarische Apotheke“. Ziel ist es, Menschen, die sich in einer Krise befinden, individuelle Leseempfehlungen zu geben (Bibliotherapeutische Sprechstunde & Bücher auf Rezept).

Wiedersehen

Der Bibliothekstag klang mit einem Vortrag von Hartmut Heisig zur 100-jährigen Geschichte der Erlanger Stadtbibliothek aus.

Mir hat das Treffen sehr gut getan. Der Austausch war anregend, die Erfahrungsberichte motivierend. Vielen Dank an die Organisator*innen und Teilnehmer*innen!

Der Bayerische Bibliothekstag ist die größte bibliothekarische Fachveranstaltung in Bayern. Er wird vom Bayerischen Bibliotheksverband (BBV) im zweijährigen Turnus an wechselnden Standorten organisiert. Im Rahmen des Bayerischen Bibliothekstags fand auch die Verbundkonferenz sowie Mitgliederversammlungen bibliothekarischer Verbände statt.

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Marlene

Als Verantwortliche für Online-Kommunikation und digitale Medien in der Erlanger Stadtbibliothek bin ich viel im Netz unterwegs. Den analogen Ausgleich finde ich beim Wandern, Reisen und in der Literatur. #Bettleserin #Couchsurferin #Wikipedianerin

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