Die re:publica 2024 fand vom 27. bis 29. Mai in der STATION Berlin statt. Hier kommt mein Resümee.
1. Was diese Konferenz so besonders für mich macht
Als Bibliothekarin und Informationswissenschaftlerin mit den Schwerpunkt Digitales ist für mich der Besuch der größten europäischen Netzkultur-Konferenz ein großer Gewinn. Ich war bereits zum vierten Mal dort und schätze das sorgfältig kuratierte Programm mit hochkarätigen Redner*innen.
2. Die Themen der Stunde
Das diesjährige Motto „Who Cares?“ richtete den Blick auf Care-Arbeit im weitesten Sinne. Wer kümmert sich um Menschen, die es nicht so leicht haben, sich abgekoppelt fühlen oder sind? Um was müssen wir uns als Gesellschaft kümmern in Zeiten von Klimawandel, Krieg und multiplen Krisen?
Zwei Themen haben die Konferenz maßgeblich geprägt:
- Die Verteidigung der Demokratie und das Erstarken extremistischer Kräfte
- Der Wandel durch Künstliche Intelligenz
3. Autor*innen zuhören
Als Lektorin für Sozialwissenschaften ist für mich die re:publica ein Paradies, vergleichbar mit der Buchmesse. Hier kann ich Autor*innen von Büchern, die ich für die Bibliothek gekauft habe, live erleben. Dieses Jahr waren das u.a. Emilia Roig, Florence Gaub, Steffen Mau, Teresa Bücker und Katharina Nocun.


4. Meine Highlights
Forence Gaub zur Zukunft: Die Forscherin und Autorin zeigt mit Beispielen aus Neurowissenschaften, Psychologie, Philosophie und Geschichte: Jede*r kann Zukunft aktiv mitgestalten, anstatt sich ihr „auszuliefern“. Eigentlich eine Binsenweisheit aber trotzdem wahr: Fokussiere dich auf das, was du beeinflussen kannst und du wirst dich besser fühlen!
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Eckart von Hirschhausen zu gesunden Menschen auf einer gesunden Erde: Die Botschaft seines trotz des ernsten Themas wunderbar unterhaltsamen Vortrags heißt: Klimaschutz muss Menschenrecht sein, damit Menschen überhaupt die Freiheit haben, in ihrer Heimat zu bleiben. Es ist zu teuer, uns nicht um Klimaschutz zu kümmern.
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Steffen Mau zur Polarisierung unserer Gesellschaft: Seine Forschung belegt, dass die Spaltung der Gesellschaft von „oben“ vorangetrieben wird. Das heißt: Politiker*innen und Medien bewirtschaften „Triggerpunkte“, sodass bestimmte Themen – wie Migration oder queere Lebensformen – nicht mehr sachlich verhandelt werden. Der Sozialwissenschaftler Mau stellt fest: Die Politik ist gespaltener als die Gesellschaft.
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Bijan Moini zur Frage „AFD verbieten oder nicht?“: Sehr strukturiert und fundiert informierte er über die Voraussetzungen und Hürden eines möglichen Verbotsverfahrens. Sein Fazit: Parteiverbote sind hochproblematisch, aber im Extremfall legitim. Vorausgehen muss dem aber eine intensive Prüfung. Denn es braucht Beweise dafür, dass eine Partei die Menschenwürde, Demokratie und den Rechtsstaat zielorientiert und planvoll abschaffen will.
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5. Aha-Momente
Jean Peters ist einer der Autoren der Investigativrecherche zum Potsdamer Treffen von Vertretern der Neuen Rechten. Er schleuste sich inkognito in das geheime Treffen hochrangiger Neonazis ein. Die Aufdeckung der „Remigrations“-Pläne schlug hohe Wellen und trieb tausende Menschen zu Demos gegen Rechtsextremismus auf die Straße. Der Bericht von Peters auf der re:publica war hochspannend und aufwühlend. Erschreckend auch, welchen Drohungen Reporter wie Peters ausgesetzt sind. Man kann gar nicht genug Respekt für sein Rechercheteam aufbringen, aber auch für alle andere Menschen, die sich öffentlich äußern, und somit zur Zielscheibe von Hetze und Gewalt werden.
Warum wir TikTok nicht den Rechten überlassen dürfen
Als Reaktion auf die massive Unterwanderung von TikTok durch die AFD haben sich einige Leute aus der Klimabewegung zusammengefunden, die unter dem Hashtag #ReclaimTiktok gegen halten. Mich erschreckt, wie hoch der Einfluss der AFD und die Stille der demokratischen Parteien auf TikTok ist. Umso mehr feiere ich die Aktion #ReclaimTiktok.

6. Was ist nun das neue Twitter?
Twitter ist Geschichte und X verpönt. Die Welt des Mikroblogging ist inzwischen total fragmentiert. Einen klaren digitalen Treffpunkt für die Netzgemeinde gibt es nicht mehr. Gefühlt war bei Threads während der Konferenz mehr los als bei Mastodon. Dabei gab es sogar eine Session zum Fediverse als freies Social Web der Zukunft.
7. Wo sind die Bibliotheken?
Leider waren Bibliotheken auf der re:publica dieses Jahr nicht präsent. Das ist wirklich schade, passt doch das Motto „Who Cares?“ gut zu Bibliotheken. Sie kümmern sich selbst in den kleinsten Gemeinden um die Menschen vor Ort: stellen kostenlose Bildungs- und Unterhaltungsangebote, konsumfreie Räume und Zugang zu Informationen und Medien bereit.
Stephan Schwering, Leiter der Zentralbibliothek Düsseldorf, hielt 2023 einen Vortrag zum Thema: The best things in life are free. – Schöne neue Bibliothekswelt.
Er war auch dieses Jahr vor Ort, genau wie Tanja Fottner, Leiterin der Stadtbücherei Augsburg, und ich. Wir finden: Auf der re:publica sollten Bibliotheken und in Bibliotheken arbeitende Menschen sichtbarer sein. Denn es geht dort längst nicht mehr nur um Digitalpolitik, sondern um die großen gesellschaftlichen Themen unserer Zeit. Und da spielen Bibliotheken eine Rolle.

In meinem Beitrag Re:publica 2018: Raus aus der Filterblase habe ich beschrieben, warum sich ein Besuch auch gerade für Bibliotheksmenschen lohnt. Lest auch meinen Rückblick zur Re:publica 2022.
Habt ihr Lust bekommen, auch mal zur re:publica zu fahren oder seid ihr schon dort gewesen? Ich freue mich über eure Kommentare!

Marlene

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