Im Juni 1969 wehrten sich bei den sogenannten Stonewall-Aufständen queere Menschen in New York gegen die Unterdrückung und Gewalt, der sie ausgesetzt waren. In Gedenken an diese Vorkämpfer*innen für Gleichberechtigung ist inzwischen der Juni der Pride Month: der Monat, in dem darauf aufmerksam gemacht werden soll, dass queere Menschen es verdienen, gesehen, geschätzt und gefeiert zu werden und dass der Kampf um Gleichberechtigung leider noch nicht vorbei ist. Ich möchte diesen Monat zum Anlass nehmen, um euch ein paar Bücher mit queerer Repräsentation zu empfehlen (die man das ganze Jahr über lesen kann!). Mich haben diese Bücher nicht nur gut unterhalten, sondern mir auch geholfen, die jeweils repräsentierten Teile der LGBTQIA+-Community besser zu verstehen und eine bessere Verbündete zu werden.
Ein paar Begriffserklärungen findet ihr am Ende des Blogartikels. 😊
1. Felix ever after
Felix Love ist trans*, Künstler und war noch nie verliebt. Letzteres wurmt ihn mit Abstand am meisten. Bis eines Tages in der Aula seiner Schule Fotos von ihm vor seiner Transition auftauchen, zusammen mit seinem deadname. Felix ist am Boden zerstört und setzt alles daran, die schuldige Person zu finden. Gleichzeitig beginnt er, seine Gender-Identität zu hinterfragen, derer er sich doch seit der Transition so sicher war. Und dann ist da noch die Sache, dass er noch nie verliebt war und das unbedingt ändern möchte…
Ich glaube, ich habe noch nie so viel von einem Roman gelernt, wie von diesem. Er ist nicht nur eine wunderbare Coming-of-Age-Geschichte, sondern hat mir geholfen, als cis Frau zumindest ansatzweise nachzuvollziehen, wie es ist, seine Gender-Identität zu hinterfragen. Unbedingt lesenswert! (Und wie schön ist bitte dieses Cover?)
2. Das unsichtbare Leben der Addie LaRue
Weil sie nicht den Rest ihres Lebens in ihrem kleinen französischen Dorf verbringen möchte, schließt Addie LaRue 1714 einen Pakt mit einer dunklen Gottheit: sie tauscht ihre Seele für ewiges Leben. Der Haken: Die Menschen, denen sie begegnet, können sich nicht an sie erinnern, sobald sie auch nur den Raum verlässt. So durchlebt sie Jahrhunderte, immer allein und dazu verdammt, vergessen zu werden. Dann trifft sie Henry, der sich an sie erinnert.
„The Invisible Life of Addie LaRue“ beziehungsweise „Das unsichtbare Leben der Addie LaRue“ ist nicht nur ein großartiger Fantasyroman mit einem zauberhaften Schreibstil, sondern hat auch casual queer representation. Das heißt, dass die Hauptfiguren queer sind, ohne, dass das groß kommentiert oder erklärt werden müsste und das liebe ich sehr.
3. Not my problem
Aideen Clear kann die Probleme aller Schüler*innen regeln. Nur nicht ihre eigenen. Mit der arroganten Streberin Meabh fängt alles an: Nachdem Aideen ihr einen Gefallen tut, spricht sich herum, dass Aideen Probleme löst. Das Ganze entwickelt ein Eigenleben und immer mehr Schüler*innen kommen zu ihr. Ob es um das Zurückholen beschlagnahmter Handys geht oder darum, sich zu einer Party schleichen – Aideen macht alles möglich. Und Meabh ist vielleicht doch nicht so unsympathisch, wie sie zuerst dachte. Gleichzeitig befinden sich Aideens Schulnoten in einer Abwärtsspirale, ihre beste Freundin geht ihr aus dem Weg und ihre Mutter hat wieder angefangen zu trinken. Kann Aideen alle Probleme lösen, außer ihre eigenen?
Ciara Smyth‘ Schreibstil ist einfach genial, ich liebe Aideens trockenen Humor. Gleichzeitig ist Aideens Kampf darum, ihre Mutter nicht an den Alkohol zu verlieren, ziemlich bewegend. Aideens und Meabhs Beziehung entwickelt sich wunderbar natürlich und nachvollziehbar. Dieses Buch ist eines meiner Jahreshighlights!
4. The Passing Playbook
Spencer Harris ist ein Nerd, ein großer Bruder und ein fußballerisches Ausnahmetalent, dem im Team seiner neuen Schule eine vielversprechende Zukunft winkt. Und vielleicht sogar mehr als Freundschaft mit seinem Mitspieler Justice. Diese Träume zerplatzen jedoch, als er von einem Tag auf den anderen nicht mehr für seine Mannschaft spielen darf. Spencer ist trans* und da auf seiner Geburtsurkunde „weiblich“ vermerkt ist, darf er nicht für das Jungsteam spielen. Er steht vor einer schwierigen Entscheidung: Soll er für seine Rechte kämpfen, auch wenn das bedeutet, sich zu outen und die möglichen negativen Reaktionen seiner neuen Freunde in Kauf zu nehmen?
„The Passing Playbook“ verbindet eine schöne Lovestory mit dem leider immer noch aktuellen Thema Transfeindlichkeit. An einigen Stellen musste ich ziemlich schlucken und ich habe sehr mit Spencers Angst vor den Reaktionen seines Umfelds mitgefühlt.
5. Ich bin Linus
Dieses Buch ist kein Roman, sondern ein Sachbuch von Linus Giese, in dem er seinen Weg vom ersten Outing als trans* Mann bis heute beschreibt. Unbedingt lesenswert, gerade wenn man sich noch nicht so wirklich mit dem Thema transgender befasst hat. Er geht auf viele Hürden ein, die trans* Menschen in den Weg gestellt werden, bis hin zu dem Hass, den er erntet, weil er sich engagiert und über seinen Weg berichtet.
Ich habe aus diesem Buch viel gelernt und ein größeres Bewusstsein bekommen für die Probleme, die trans* Menschen leider noch überwinden müssen.
6. Perfect on Paper
Darcy verdient sich ein wenig Geld dazu, indem sie anonym Beziehungstipps für ihre Mitschüler*innen an der Highschool gibt. Als Brougham sie erwischt, erpresst er sie, ihm zu helfen, seine Exfreundin zurückzubekommen. Anstatt sich den Gefühlen für ihre beste Freundin zu stellen, verbringt Darcy also ihre Zeit mit dem arroganten (und ärgerlich attraktivem) Brougham, um ihm bei der Rückeroberung seiner Exfreundin zu helfen. Was kann da schon schiefgehen?
Ein wunderbar humorvolles Buch, das sich mit Biphobia auseinandersetzt. Besonders mit dem Vorurteil, dass bisexuelle Menschen hetero sind, sobald sie eine Person des anderen genders daten, beziehungsweise homosexuell, wenn sie eine*n entsprechende*n Partner*in haben. Bisexuelle Menschen sind bisexuell. Egal, wen sie daten oder nicht daten.
7. The Prom
Emma liebt Alyssa und Alyssa liebt Emma. Und die beiden wollen zusammen zum Highschool-Abschlussball gehen. Eigentlich keine große Sache. In Edgewater im tiefsten Indiana aber offenbar doch: Die Mädchen verursachen einen Skandal! Hilfe kommt von völlig unerwarteter Seite: Aus dem fernen New York mischen sich zwei Broadway-Stars ein, die für Emma und Alyssa kämpfen wollen – und nebenbei ein wenig Werbung in eigener Sache dringend benötigen. Das verschlafene Edgewater und die örtliche Highschool geraten plötzlich ins Scheinwerferlicht des nationalen Medienspektakels, und mittendrin Emma und Alyssa. Wird ihre Liebe das aushalten?
Der trockene Humor, mit dem die Protagonistin die Scheinheiligkeit ihrer Mitmenschen kommentiert, macht das Buch extrem unterhaltsam, trotz des ernsten Themas. Queerfeindlichkeit ist ein Thema, das mich an Herpes erinnert: unglaublich nervig und kommt immer wieder, wenn man glaubt, es sei endlich weg.
Das Buch basiert übrigens auf dem Musicalfilm “The Prom”, den Soundtrack kann ich euch auch sehr empfehlen.
8. In all seinen Farben
In Robin Coopers Leben läuft nichts, wie es soll: Sein Freund Connor steht nicht zu ihm und sein Traum von der Schauspielschule zerplatzt, sodass er plötzlich ohne Zukunftsplan dasteht. Doch als ihn seine Clique an seinem 18. Geburtstag in eine Drag Show schleppt, realisiert Robin, dass das Leben manchmal ganz eigene Pläne macht … Trotz der Sorgen seiner Mutter vor Anfeindungen, schleicht er sich wieder zu dem Club, wo ihn eine Drag Queen unter ihre Fittiche nimmt. Aber wie lange kann er sein Doppelleben geheim halten?
Zuzusehen, wie Robin zu seiner Drag Persona findet und dabei immer selbstbewusster wird, war wunderschön. Dieses Buch hat außerdem definitiv mein Interesse an der Drag Szene geweckt – mal schauen, was Netflix dazu so hergibt. 😉
9. The falling in love montage
Saoirse wurde gerade das Herz gebrochen und sie ist definitiv nicht bereit für eine neue Beziehung. Dann trifft sie Ruby, die leidenschaftlicher Fan von romantischen Komödien ist und sie zu einem Deal überredet: sie verbringen einen unverbindlichen Sommer damit, die Klischees aus romantischen Komödien nachzustellen. Da Saoirse nicht an das Formular von romantischen Komödien glaubt, kann ja nichts passieren. Oder?
Ciara Smyth gelingt es immer wieder, luftig-leichte queere Romcoms mit ernsteren Themen zu verbinden. Ihre Bücher sind das perfekte Beispiel dafür, wie man Queerness normalisieren kann, indem man sie nicht zum Fokus des Buches macht.
10. What we devour
Lorena Adler hat ein Geheimnis – sie trägt die Macht der verbannten Götter, der Edlen und der Bösen, in sich. Sie verbringt ihr Leben damit, ihre Fähigkeiten zu verstecken. Doch eines Tages entdeckt ausgerechnet der für seine Grausamkeit berüchtigte Kronprinz sie und erpresst sie, ihm zu helfen. Denn das Tor, dass das Böse zurückhält, droht sich zu öffnen und nur jemand mit Lorenas Fähigkeiten kann es vielleicht geschlossen halten. Als Lorena mehr über den schrecklichen Preis erfährt, den ihre Rettung kosten würde, muss sie beide Teile ihrer selbst annehmen, um zu überleben.
Linsey Millers Bücher sind voller casual queerness und Klassismus-Kritik und „What we devour“ zeichnet sich außerdem durch eines aus: es hat eine asexuelle Protagonistin. Bücher mit asexuellen Figuren zu finden ist schwieriger als die Suche nach einer Nadel im Heuhaufen. Umso mehr hat es mich gefreut, dass es sich bei „What we devour“ auch noch um einen vielschichtigen Fantasyroman mit originellem Weltenbau handelt. Wer vor etwas düsterer Fantasy nicht zurückschreckt, sollte sich dieses Buch nicht entgehen lassen!
To be continued…
Und das ist nur die Spitze des Eisbergs an Büchern mit toller queerer Repräsentation! Noch mehr Bücher findet ihr den ganzen Juni in einer Ausstellung in der Jugendbibliothek. Und auf unserem Blog gibt es bereits eine ganze Reihe Blogartikel mit Empfehlungen für Bücher mit queeren Figuren:
- Loveless
- Only mostly devastated
- Cemetery Boys
- The art of running away
- You should see me in a crown
- Ace of Spades
- Mr. Parnassus’ Heim für magisch Begabte
- One last Stop
- Das Lied der Krähen
Fantasy-Leser*innen kann ich außerdem immer die Bücher von Rick Riordan, Cassandra Clare und Leigh Bardugo empfehlen. Voll von casual queerness und Diversität in jeder Hinsicht zeigen diese Bücher, wie bereichernd es ist, unsere Welt auch in Romanen so abzubilden, wie sie ist: vielfältig.
Bonus Sachbücher
Ich weiß, in der Überschrift steht 10 Bücher, 10 ist einfach eine schöne runde Zahl. Aber seit ich die Liste begonnen habe, sind noch mehr tolle Bücher in die Stabi eingezogen.
Was ist eigentlich dieses LGBTIQ*?
Dieses Buch ist der perfekte Einstieg für alle, die mit dem Thema Queerness und den Begriffen noch gar nichts anfangen können. Es erklärt die wichtigsten Begriffe der queeren Community, ohne Vorwissen vorauszusetzen. Und schön illustriert ist es auch!
Queergestreift – alles über LGBTIQA+
Dieses Buch steigt deutlich tiefer in die Thematik ein. Neben erklärenden Texten enthält es Interviews mit queeren Personen, Listen von Ressourcen und Checklisten für Verbündete und Familienmitglieder. Absolut lesenswert!
Begriffserklärungen:
Deadname: Der Name, den die Eltern einer trans* Person bei der Geburt gegeben haben. In der Regel wählen trans* Menschen mit ihrem Outing einen Namen, der ihrem Gender entspricht. Der alte Name ist „tot“ (dead) und es ist sehr unhöflich, im schlimmsten Fall auch verletzend, trans* Personen nach dem deadname auszufragen, wenn sie nicht von selbst darauf zu sprechen kommen. Sprecht die Person einfach mit dem Namen an, mit dem sie sich euch vorgestellt hat, wie ihr es bei cis Menschen auch machen würdet.
Queerfeindlichkeit: Ich verwende lieber den Begriff „Queerfeindlichkeit“, statt „Homophobie“, denn eine Phobie ist eine Angsterkrankung, für die die betroffenen Menschen nichts können. Queerfeindliche Menschen haben aber keine Angst, die medizinischer Behandlung bedarf, sondern sprechen queeren Menschen das Recht ab, zu existieren und ihre Liebe so offen zu zeigen, wie cis Heteros.
Cis: Menschen, die sich mit dem Geschlecht identifizieren, das ihnen bei der Geburt zugewiesen wurde, sind cis.
Casual queerness: Casual queerness ist das Einbinden queerer Figuren und Lebensformen in Medien, ohne dass es das einzige Merkmal der Figur ist. So wird normalisiert, dass queere Menschen Teil unseres Alltags sind.
Happy Pride Month!
Weitere Buchtipps zum Pride Month von Julia findet ihr im Blog der Stadtbücherei Würzburg.
Habt ihr Empfehlungen für weitere Bücher mit guter queerer Repräsentation? Immer her damit!
Julia
Neueste Artikel von Julia (alle ansehen)
- Mein Lesetipp: Legendborn – 22. August 2022
- Mein Lesetipp: Kate in Waiting – 15. August 2022
- Tagebuch einer FaMI-Azubine: Epilog – 4. August 2022
- Tagebuch einer FaMI-Azubine: Kapitel 26 – 30. Juni 2022
- Tagebuch einer FaMI-Azubine: Kapitel 25 – 17. Juni 2022
Schreibe einen Kommentar